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Interview mit Dr. Jens Oldenburg: PPWR zwischen Management und Praxis: Strategische Lücken schließen.

Mann im grauen Anzug mit weißem Hemd und orangefarbenem Einstecktuch vor hellgrauem Hintergrund. Links neben ihm das Logo der Initiative Mehrweg mit grünem Schriftzug und blauem Kreis mit grünem Pfeil und Blatt.
Autor:
Lisa Bornemann
Veröffentlicht am:
4.9.2025

Dr. Jens Oldenburg ist Geschäftsführer der Stiftung Initiative Mehrweg (SIM), die seit fast 30 Jahren Mehrwegsysteme fördert und begleitet. Die SIM informiert Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über die Vorteile von Mehrweg, initiiert Forschungsprojekte – oft in Kooperation mit Fraunhofer-Instituten – und treibt den Austausch zwischen Unternehmen, Verbänden und Entscheidern voran. Im Gespräch erklärt er, warum die Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR) so große Diskrepanzen zwischen Management und operativen Bereichen offenlegt – und wie Unternehmen diese Lücke schließen können.

Jens, du sprichst mit vielen Unternehmen über die PPWR. Nimmst du Unterschiede in der Wahrnehmung zwischen Management und operativen Bereichen wahr?

Ja, eindeutig. In der Logistik, im Behältermanagement, im Verpackungsmanagement und bei Nachhaltigkeitsbeauftragten sehe ich viel Begeisterung, wenn es um Mehrweg geht – weil dort Abfall direkt sichtbar ist und die Vorteile im Alltag schnell greifen. Auf Management-Ebene herrscht dagegen oft Zurückhaltung. Dort sieht man eher die Investitionskosten und scheut Risiken. Das führt zu einer Spreizung: operative Bereiche sehen die Chancen und handeln, während das Top-Management zögert.

Woran liegt es, dass Geschäftsführungen die Herausforderungen oft moderater einschätzen?

Ich glaube, das ist ein Stück Selbstberuhigung: Wenn ich mir einrede, dass etwas leicht umsetzbar ist, kann ich das Thema schieben. In der Logistik weiß man dagegen, welche Wirkung kleine Änderungen haben können – dort wird die PPWR realistisch eingeschätzt. Das Problem: Wer zu lange wartet, wird den Wandel nicht mehr sauber steuern können.

Welche Gefahren entstehen, wenn operative Risiken auf Leitungsebene unterschätzt werden?

Die Packaging and Packaging Waste Regulation hat klare Stichtage. Wer erst kurz vor 2030 ernsthaft beginnt, riskiert Chaos: fehlende Mehrwegladungsträger, keine Erfahrungswerte im Handling, Engpässe in Lieferketten. Es wird dann nicht gelingen, Prozesse reibungslos umzustellen. Ich gehe nicht davon aus, dass Brüssel die Fristen groß verschiebt – deshalb gilt: Wer zu spät startet, wird überrollt.

Welche Rolle spielt die Komplexität der Verordnung dabei?

Eine große. Die PPWR umfasst hunderte Seiten, ist voller Sonderfälle und für Nicht-Juristen schwer verständlich. Hinzu kommt: Viele Detailregelungen entstehen erst in den kommenden Jahren. Dieses Bild von „noch unklar, wir warten mal ab“ trägt dazu bei, dass das Management die Dringlichkeit unterschätzt.

Warum gehen operative Bedenken oft im Management unter?

Das liegt weniger an Böswilligkeit, sondern daran, dass viele andere Themen drängen: Umsatz, internationale Märkte, geopolitische Unsicherheiten. 2030 wirkt für viele weit weg. Aber genau hier liegt das Risiko: Verpackungsprozesse umzustellen, Mehrweg einzuführen und Datenstrukturen aufzubauen braucht Jahre. Wer das erst im Jahr 2029 erkennt, kommt zu spät.

Was können Unternehmen tun, damit Stimmen aus Logistik oder Nachhaltigkeit im Management gehört werden?

Kommunikation ist der Schlüssel. Oft werden interne Warnungen unterschätzt. Externe Stimmen können helfen – etwa durch Netzwerke, Verbände oder moderierte Workshops. Wenn mehrere Unternehmen gemeinsam auftreten, steigt der Druck. Wichtig ist: Fachbereiche sollten nicht allein kämpfen, sondern sich Unterstützung holen und die Diskussion aktiv in die Geschäftsführung tragen.

Fehlende Daten und Zuständigkeiten gelten als größte Hürden. Wie siehst du das?

Absolut. Viele Unternehmen haben ihre Prozesse noch nicht ausreichend digitalisiert. Wer keine Transparenz über Ladungsträger, Behälterkreisläufe und Verpackungsbestände hat, kann die Anforderungen der PPWR nicht erfüllen. Daten sind die Grundlage – ohne sie lässt sich kein Mehrwegsystem steuern. Unternehmen müssen hier dringend investieren, sonst gefährden sie ihre Zukunftsfähigkeit.

Unordentlicher Schreibtisch mit vielen ausgedruckten Tabellenblättern, die von einer Person durchsucht und sortiert werden. Daneben stehen ein Laptop, eine Tastatur und ein Monitor.

Und wie kann die Stiftung Initiative Mehrweg helfen, die Brücke zwischen Strategie und Praxis zu schlagen?

Wir haben Erfahrung damit, unterschiedliche Interessen an einen Tisch zu bringen. Ein Beispiel ist das Projekt Euro Plant Tray, bei dem wir mit Unternehmen Workshops durchgeführt und gemeinsam eine europäische Branchenlösung für Mehrweg entwickelt haben. Solche moderierten Prozesse helfen, Theorie und Praxis zusammenzubringen – und werden auch international als Vorzeigeprojekte anerkannt.

Warum sehen operative Abteilungen beim Thema Mehrweg oft mehr Handlungsdruck als das Management?

Weil sie die Vorteile täglich erleben: weniger Abfall, stabilere Ladungsträger, effizienteres Handling. Das Management sieht dagegen oft nur die Investition am Anfang. Dass sich diese nach zwei bis fünf Jahren rechnet, wird häufig übersehen. Deshalb sind es die operativen Bereiche, die Mehrweg stärker vorantreiben.

Welche nächsten Schritte empfiehlst du Unternehmen?

Ich würde drei Dinge raten: Erstens, sich intensiv mit den Anforderungen vertraut machen und verstehen, welche Auswirkungen die PPWR konkret auf das eigene Unternehmen haben kann. Zweitens, die eigene Datenbasis kritisch prüfen: Welche Verpackungsstammdaten gibt es, welche fehlen, und in welcher Qualität liegen sie vor? Und drittens, den Status Quo ehrlich analysieren – also welche Verpackungen, Materialien und Prozesse eingesetzt werden. Das gilt insbesondere für Mehrweg-Assets, Ladungsträger und das Ladungsträgermanagement (LHM), deren Steuerung künftig noch stärker reguliert sein wird. Das sind Grundlagen, die Unternehmen schon jetzt legen können – unabhängig davon, welche Detailregelungen später noch folgen.

Und dein Appell zum Schluss: Was müssen Management und operative Bereiche voneinander lernen?

Mein Appell ist:

Hört einander wirklich zu. Die Praxis sieht oft früher, wo Probleme auftreten, das Management entscheidet aber über Ressourcen und Strategie. Nur wenn beide Ebenen zusammenarbeiten, wird die Packaging and Packaging Waste Regulation erfolgreich umgesetzt. Und dann ist sie nicht nur Pflicht, sondern ein Motor für Innovation, Kreislaufwirtschaft und echte Wettbewerbsvorteile.

Herzlichen Dank an Jens Oldenburg für dieses spannende Interview. Seine Einschätzungen zeigen eindrucksvoll, dass die PPWR nicht nur eine regulatorische Pflicht ist, sondern auch ein Hebel für Zukunftsthemen wie Mehrweg, Daten und Zusammenarbeit zwischen Management und Praxis.

Über die Stiftung Initiative Mehrweg:

Die Stiftung Initiative Mehrweg (SIM) wurde 1996 gegründet. Sie fördert Mehrweg als zentralen Baustein für Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft, initiiert Forschungsprojekte und begleitet Unternehmen, Politik und Gesellschaft bei der Umsetzung von Mehrwegstrategien.

Über die Logistikbude:

Die Logistikbude wurde 2021 gegründet und digitalisiert das Management von Mehrweg-Assets wie Paletten, Behältern oder Gestellen, die zum Transport von Waren verwendet werden. Ihre nutzerfreundliche Software ermöglicht die transparente Nachverfolgung der Behälter in Echtzeit und verschafft einen Überblick über Bestände, Bedarfe und Umlaufzeiten. Dadurch profitieren Verlader, Logistikdienstleister und der Handel von niedrigeren Nachkaufquoten und einem reduzierten Verwaltungsaufwand – einfach, effizient und vor allem ressourcenschonend. Die Expertinnen und Experten der Logistikbude haben bei der Lösung ihre langjährige Erfahrung aus der Verpackungsbranche am Fraunhofer IML einfließen lassen.

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