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Warum die Diskussion über den Palettenpreis nicht zielführend ist

Der rasant steigende Palettenpreis ist aktuell in aller Munde und selbst große Medien wie Tagesschau, Spiegel und ZEIT beschäftigen sich damit. Und ja, es ist in der Tat so, dass sich der Preis für neue und gebrauchte Europaletten durch Holz- und Eisenmangel binnen eines Jahres mehr als verdoppelt hat. Wie aber bei so vielen Themen mit Nachhaltigkeitsbezug verlagert auch hier eine Diskussion über die Anschaffungskosten die Debatte weg vom Kern des Problems: Statt den Fokus auf den Preis neuer Produkte zu legen, ist es ökonomisch und ökologisch viel sinnvoller, bereits bestehende Güter länger und effizienter zu nutzen. Dies gilt für Immobilien, Elektronik und eben auch Ladungsträger. Was das konkret für das Beispiel Europalette bedeutet, zeigt dieser Beitrag.

 
Aktuell ein rares Gut: Neue Europaletten

Die Pacurion GmbH gibt aktuell den Neupreis von Europaletten mit 16,60 Euro an, prognostiziert jedoch einen Anstieg im April auf 22 bis 25 Euro. Nun gibt es wenige Untersuchungen dazu, wie viele Tauschvorgänge eine Europalette übersteht. Die genausten Angaben hierzu macht der „Kölner Palettenschlüssel“, in dem von durchschnittlich 12 Einsätzen ausgegangen wird, bis eine Palette defekt ist. Nimmt man nun vereinfacht eine lineare Abschreibung und den Mittelwert des von Pacurion prognostizierten Neupreises von 23,50 Euro, so fällt für jeden Einsatz einer Europalette eine Abschreibung von 23,50 Euro / 12 Einsätze = 1,96 Euro an. Das Fraunhofer IML gibt hingegen die Kosten für Ersatz und Reparatur je Einsatz mit 10,1 bis 12,7 % für Verlader, 12,7 bis 19,9 % für Spediteure und 1,9 bis 3,8 % für Empfänger an. Mittelt man diese Werte ergibt sich eine Abschreibung von 10,2 %, also von 0,102 * 23,50 Euro = 2,40 Euro je Einsatz einer Europalette. Der Mittelwert aus diesen zwei unterschiedlichen Berechnungsweisen liegt bei 2,18 Euro, was ausgehend von einem Neupreis von 9,55 Euro vor einem Jahr, eine Mehrbelastung von 1,16 bis 1,42 Euro (Mittelwert: 1,29 Euro) je eingesetzter Palette bedeutet.


Aufgrund der explodierten Marktpreise können Unternehmen an dieser Tatsache nichts ändern. Jedoch kann die Optimierung des aktuellen Umgangs mit Paletten, insb. durch den Einsatz von intelligenter Software, die Mehrbelastung deutlich reduzieren. Hierbei sind vor allem folgende Stellschrauben interessant:

  • Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit in eigenen Kreisläufen

  • Erhöhung der Umlaufanzahl

  • Reduzierung der Schwundquote

Für Ladungsträger, die in eigenen Kreisläufen, z.B. innerhalb eines Werks, zwischen eigenen Standorten oder mit festen Lieferanten, eingesetzt werden, kann durch automatisierte Benachrichtigungen die Poolgröße reduziert werden. Ganz konkret kann eine intelligente Software eine Benachrichtigung mit der Bitte um Rücksendung vollkommen automatisch 10 Tage nach der Zustellung verschicken. Wird so das Leergut im Durchschnitt nach 14 statt 21 Tagen zurückgeschickt, reduziert das die Größe des in diesem Kreislauf eingesetzten Bestands um 33,3 %.


Die zweite Stellschraube ist die Erhöhung der Umlaufanzahl. Eine saubere und durchgängige Kontoführung führt zu der notwendigen Transparenz und damit zur klaren Regelung der Verantwortlichkeiten. Dadurch sind die beteiligten Unternehmen gezwungen, schonend mit Paletten umzugehen. Eine Europalette ist äußerst robust und kann bis zu 1.500 kg tragen, während meistens nur wenige hundert Kilogramm auf ihr transportiert werden. Daher sollte es das Ziel aller Beteiligten sein, dass eine Europalette mindestens 20 Einsätze schafft.



Schwund kommt in vielen Formen daher

Das größte Einsparpotenzial bietet eine Reduzierung der Schwundquote. Wenn ein Unternehmen 1.000 Paletten im Wareneingang angeliefert bekommt und am Ende nur 900 Paletten in Tauschvorgängen gebucht hat, ergibt dies eine Schwundquote von 10 Prozent. Dies entspricht auch dem typischen Wert, den wir in Industrieunternehmen beobachtet haben. Die Gründe dafür sind vielfältig und selten bekannt: Hier wird noch eine Palette als Ladungssicherung eingesetzt, dort wird ein Tausch nicht dokumentiert, da ein Tauschschein verlegt usw. Wenn man dank geeigneter Software und Prozessen die Mitarbeiter*innen dazu bringt, jeden Tausch und Bruch zu dokumentieren, erreiche ich deutlich niedrigere Schwundquoten von unter 5 %.


Bestimmt man nun das Einsparpotenzial der drei vorher beschriebenen Beispiele, ergibt sich eine Reduzierung der Kosten je eingesetzter Europalette in folgender Höhe:

  • Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit in eigenen Kreisläufen: 0,72 Euro

  • Erhöhung der Umlaufanzahl: 0,87 Euro

  • Reduzierung der Schwundquote: 1,18 Euro

Sicherlich wird man nicht alle drei Potenziale gleichzeitig oder in vollem Umfang heben können. Dennoch ist es realistisch die zusätzliche Belastung durch den angestiegenen Palettenpreis von 1,29 Euro weitestgehend zu egalisieren, indem man behutsamer mit dem Gut umgeht. Und hierbei sind weitere Potenziale, wie die Reduzierung von Personalkosten durch eine automatische Kontoabstimmung oder die Optimierung von Beständen eigener Ladungsträger mit Hilfe eindeutiger Kennzeichnung (Serialisierung) noch gar nicht eingerechnet. Neben diesem ökonomischen Nutzen hilft eine solche Optimierung aber auch der Umwelt: Jede eingesparte Europalette sparrt CO2 für Herstellung, Transport, Papier, Lagerfläche usw.


Abschließend sei nun etwas überspitzt die folgende Frage gestellt: Wenn Sie zuhause andauernd Ihre Werkzeuge verleihen und ständig neue nachkaufen müssen, da sie diese nur selten zurückerhalten – macht es dann nicht mehr Sinn sich Gedanken über eine Dokumentation der Verleihvorgänge zu machen, anstatt sich über die steigenden Preise von Werkzeug zu ärgern?



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